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Born for Korn – Unkonventionell Konventionell?

In dem Dokumentarfilm “Born for Korn”, der vorletzte Woche seine Hamburger Premiere feierte, folgen die Zuschauer über mehrere Monate der Milchbauernfamilie Sierck, mittlerweile in der 6. Generation. Es geht um vieles – Eigenständigkeit, Tierwohl, und die Übernahme des Hofs Fuhlreit und der Meierei Geestfrisch durch zwei der Söhne. Dass dies überhaupt klappt, ist nicht selbstverständlich. Mit jedem Generationswechsel halbiert sich die Zahl der familiengeführten Bauernhöfe, da der Beruf durch steigenden wirtschaftlichen Druck immer weniger Zukunftsperspektiven bietet.

Auf bewusst unspektakuläre Weise lernen wir den Hof und seine Besitzer kennen, folgen ihnen durch den Alltag, und hören ihre Ansichten und Sorgen. Wir sehen wie sich Sohn Arne um die Kühe kümmert, wie sehr sich die Kühe und Bauern freuen, wenn die Tiere auf die Weide getrieben werden, mit wie viel Herzblut Gunda Sierck den Hofladen führt. Jörn Sierck erklärt in einer der Szenen einem Hofbesucher, dass immer einige der Kühe ‚trocken‘ sind, also eine Ruhepause von der Milchabgabe haben. Hier können Verbraucher nicht nur schmecken, sondern auch sehen, wie ihr Käse entsteht. Dies ist jedoch sogar für die Bauern anfangs gewöhnungsbedürftig. Produzent und Verbraucher müssen wieder langsam zueinander zurückfinden.

Die Familie hat dem (für Bauern) unwirtschaftlichen Milchpreis und den schwierigen Marktstrukturen auf ihre Weise den Kampf angesagt – durch den Aufbau ihrer eigenen Milchverarbeitung und die Direktvermarktung der Produkte im eigenen Hofladen. Denn, so Bauer Jörn Sierck, wenn man zwar Lebensmittel produziert, aber nicht davon leben kann, dann liege etwas ganz im Argen. Die Direktvermarktung klappe ganz gut, besonders weil die Leute das Einkaufen im Hofladen zu schätzen wissen. Zu wissen, wie und wo die eigene Nahrung produziert wird, ist ein immer wichtiger werdender Faktor, und immer mehr Verbraucher sind auch bereit, dafür einen fairen Preis zu zahlen.

Die Siercks sind stolze Unternehmer, und wollen nach eigener Aussage nicht abhängig sein von Subventionen oder anderen Geldern. Zugleich aber fordern sie, dass sich ganz klar die Rahmenbedingungen für Bauern von Seiten der Politik ändern müssen, um dem Hofsterben ein Ende zu bereiten und den Beruf wieder attraktiver zu machen. Auch bemängeln sie, dass Jungbauern in der Ausbildung zwar vieles über gute Produktion und EU-Gelder lernen, aber nicht genug über die Ertragsfalle, die sich aus dem schlechten Milchpreis ergibt. „Aber was sind das für Unternehmer, die produzieren, ohne zu wissen, welchen Preis sie für ihre Produkte bekommen?“ fragt Gunda Sierck.

Es gibt aber noch andere Spannungsfelder im Film. Einerseits sehen wir einen familiengeführten Bauernhof, dessen Besitzer sich bemühen, gleichzeitig den Betrieb zu erhalten und ihn zu modernisieren. Nachfolger Arne sieht keine Zukunft in einer Umstellung auf Bio, was er damit begründet, dass er seinen Kühen dann keine Antibiotika mehr verabreichen dürfe (was allerdings nicht ganz der Wahrheit entspricht), und für ihn daher die Gesundheit der Tiere wichtiger sei.

Andererseits jedoch sehen wir auch bei den Siercks wie Kälber von den Müttern getrennt werden und die nächsten Monate in kleinen Gehegen stehen, wo sie aus Euter-Eimern trinken, während die Mütter ihre Milch an Menschen abgeben. Es stellt sich die Frage, wie dies mit dem generellen Streben nach Tierwohl zu vereinbaren ist. Zu anderen Szenen, vor denen sich der Film nicht scheut, zählt unter anderem dass Verladen zwei der Bullen zum örtlichen Schlachter, die aber immerhin auf dem Hof aufwachsen durften, anstatt zur Mast abgegeben zu werden (interessanter Beitrag zum Thema hier).

Jungbauer Arne erzählt uns, dass die Kühe (von denen er alle 100 beim Namen kennt) zwar bis zu 25 Jahre alt werden könnten, aber nach ca. 10 schon “zu alt” sind um noch weiterhin für den Betrieb wirtschaftlich zu sein und deshalb geschlachtet werden. Die männlichen Kälber würden wegen der kurzen Lebenszeit gar nicht erst Namen bekommen. Dass ihm das alles unangenehm ist, sieht man ihm an – aber auch, dass er es für unumgänglich hält.

Dem Film gelingt es, nichts zu beschönigen oder zu verurteilen. Dadurch bekommt der Zuschauer seltene Einblicke und erfährt, welche Ansätze zwar im Rahmen der konventionellen Milchwirtschaft möglich und zukunftsweisend sind – aber auch, welche Praktiken oft trotzdem weiterhin aufrecht erhalten werden, wie zum Beispiel die Trennung der Kälber von den Müttern. Jedoch wird dem Zuschauer bewusst gemacht, dass die Siercks diese Entscheidungen getroffen haben, um den Bauernhof überhaupt noch betreiben zu können. Das Ergebnis eines weiteren aufgegeben Bauernhofs hätte vermutlich nicht weniger Kühe bedeutet, sondern die Übernahme des Betriebs durch einen größeren Betrieb und damit wahrscheinlich weniger Betreuung der Tiere.

Es stellt sich aber trotzdem die Frage, unter welchen Bedingungen – wenn überhaupt – Tiere zur Nahrungsmittelproduktion gehalten werden sollten.

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Bauern und Biodiversität: kurz vor dem Burnout?

Warum wir mehr Gemeinwohl in der Landwirtschaft brauchen und welche Wege dorthin führen.

  • Die Landwirtschaft in Deutschland befindet sich in einer systemischen Krise, mit drastischen Folgen für Natur und Mensch. Es gibt immer weniger Insekten und Vögel. Gleichzeitig werden Landwirt*innen unmöglichen Wachstumsforderungen ausgesetzt, von denen nur Großbetriebe profitieren.
  • Während Supermarktketten und Agrarkonzerne als Gewinner aus der Pandemie herausgehen, kämpfen Landwirt*innen und Landarbeiter*innen weltweit um ihre Existenz.
  • Der Deutsche Bauernverband begibt sich oftmals in eine Opfer- bzw. Heldenrolle, anstatt an dringend notwendigen Lösungen für die Zukunft der Landwirtschaft (und des Planeten) mitzuarbeiten.
  • Es gibt aber auch viele neue Ansätze, wie es auch anders geht: zum Beispiel durch das Erfassen von externen Kosten mit Richtig Rechnen in der Landwirtschaft und einer Orientierung an der Gemeinwohl-Ökonomie.

Die Landwirtschaft im Auge des Sturms

Am 11. Juni fand im HADLEY’S in Hamburg der Zwischenraum-Salon statt, dieses Mal zum Thema “Gemeinwohl in der Landwirtschaft”. Coronabedingt war es ein kleiner, aber feiner Kreis, der sich an diesem lauen Frühsommerabend traf, um den zwei Sprecherinnen zuzuhören und selbst am Gespräch teilzunehmen. Die Gäste des Abends waren Tanja Busse, Autorin des Buchs Das Sterben der Anderen, und Anneli Wehling, ihrerseits engagierte Milchviehwirtin aus Schleswig-Holstein. Für die Moderation sorgte Dr. Klara Stumpf von der Alfred-Toepfer-Stiftung.

Wer an das Thema “Landwirtschaft” denkt, denkt oft an die Probleme, mit denen die Branche kämpft, beziehungsweise die sie mitverursacht. Besonders wenn es um Klima-und Umweltschutz geht, läuten immer mehr Alarmglocken. In den letzten Jahren und Jahrzehnten hat sich diesbezüglich so einiges aufgestaut. Um nur ein paar Sachen aufzuzählen: mangelnder Umweltschutz, Treibhausgasemissionen, Massentierhaltung, Bodenerosion. Der Einsatz von Pestiziden und rücksichtlosem Mähen führt zu massiven Biodiversitätsverlusten, von Insekten bis hin zu Vögeln. Mit jedem neuen wissenschaftlichem Bericht zur Lage scheint sich die Prophezeiung des “Silent Spring” (“stummer Frühling”) von Rachel Carson zu bestätigen. Tanja Busse bezeichnet diesen Prozess als Defaunation. Eine Anekdote hierzu, die viele heranziehen, ist das “Fehlen” von Insekten auf der Windschutzscheibe nach einer Fahrt auf der Autobahn. Vor 20, 30 Jahren war das doch noch ganz anders, oder?

Tanja zeigt auf, dass sich dieser Prozess schon seit langer Zeit anschleicht: so schrieb schon Rosa Luxemburg in einem Brief von 1917 über das Schwinden der Singvögel in Deutschland als Folge einer zunehmend rationellen Forstkultur und des Ackerbaus. Das Phänomen nennt sich “shifting baselines syndrome”: jede Generation gewöhnt sich an die Artenvielfalt, mit der sie aufwächst; Veränderungen werden nur selbst über die Jahre hinweg (wenn überhaupt) wahrgenommen. Passt sich der Mensch zu oft an solch einen neuen „Standard“ an, ohne etwas dagegen zu unternehmen, kommt er irgendwann unweigerlich an einen Punkt, an dem ganze Ökosysteme zu kippen drohen. Komplette Kreisläufe können sich dann einfach kaum oder nicht mehr erholen. Und genau vor solch einem “Tipping Point” stehen wir mittlerweile seit geraumer Zeit, warnen viele Wissenschaftler.

Quo Vadis, Landwirtschaft?

Auch auf menschlicher Seite verschärfen sich die Bedingungen. Anneli Wehling berichtet, dass sie einst aus Liebe zu den Kühen und dem Handwerk als Milchbäuerin in die Branche einstieg, und dass die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte so ziemlich alle Freude daran zerquetschten. Mittlerweile sei nur noch an der kranken Kuh Geld zu verdienen, und trotzdem bleibe den Bauern einzig ein Restgeld. Landwirt*innen stehen immer mehr unter Druck, sollen “unternehmerischer” werden; koste, was es wolle. Wer nicht mithalten kann mit dem Wachstumswahnsinn, sich nicht noch weiter verschulden kann, um seinen Hof und Viehbestand zu vergrößern, schmeisst irgendwann verbittert hin.

Da Landwirt*in ein immer weniger attraktiver Beruf wird, überrascht es nicht, dass die Anzahl der Betriebe seit 1999 um 42 Prozent zurückgegangen ist. Steht ein Hektar Land zum Verkauf, stehen die Chancen gut, dass dieser ruckzuck und mittels zwielichtiger Praktiken von außerlandwirtschaftlichen Spekulanten und Konzernen aufgekauft wird. Kleinere landwirtschaftliche Betriebe, besonders junge oder ökologische, haben bei den immer weiter steigenden Preisen trotz Vorverkaufsrecht kaum eine Chance, um an dringend benötigten Boden (zum Beispiel zum Kühe weiden oder Futter anbauen) ranzukommen. Land wird auf diese Weise rapide denen entzogen, die es auch tatsächlich bewirtschaften.

So zum Beispiel der Fall Hauke Jaacks: seinem Hof, der auf gepachtetem Grundstück steht, droht das Ende, da das Grundstück an einen außerlandwirtschaftlichen Investor verkauft wurde. Entstehen soll dort ein Reitstall. Jaacks hatte ein Kaufangebot abgegeben, als er erfuhr, dass das Grundstück zum Verkauf stand. Die Eigentümerin hatte den Hof geerbt, aber ihrerseits kein Interesse an der Landwirtschaft. Über die Jahre hinweg gab es einige Reibungen mit der Verpächterin um die Frage, wer was wo investieren soll. Jaacks fiel aber aus allen Wolken, als er durch Zufall erfuhr, dass der Hof schon an einen Investor verkauft wurde. Das Vorverkaufsrecht griff angeblich nicht, da der Pferdehof als landwirtschaftlicher Betrieb eingestuft wurde. Das Konzept für den Hof liegt jedoch nicht einmal der Bezirksversammlung Altona vor. Georg Janßen, Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), beschreibt die Lage so: „Ein Immobilienmakler wird auf Grundlage einer Skizze für einen Pferdehof mit einem praktizierenden Milchbauern gleichgestellt.“ Hauke Jaacks hat nun Widerspruch bei der Hamburger Wirtschaftsbehörde eingelegt.

Das “wirtschaftliche Korsett” wird immer enger

Die wenigsten Bauern wollen laut Anneli aktiv in einem System arbeiten, das Natur und Tierwohl hinten anstellt. Jedoch fühlen viele sich mittlerweile einfach nur noch zwischen den Fronten zerrieben: als Hauptverantwortliche für das Umsetzen immer neuer, teurer Umweltauflagen einerseits, und dem Wachstumsdruck andererseits. Gerade in Zeiten der Coronapandemie kommt die folgende Dynamik immer stärker zum Tragen: es hat sich ein “wirtschaftliches Korsett” gebildet, das vielen Produzenten langsam die Luft abschnürt, während zum Beispiel Großhändler, Discounter, und Supermärkte durch Preisdrückung und Ausbeutung massive Gewinne einfahren. In der Ausbildung zum Landwirt, hören wir von einer Teilnehmerin aus dem Publikum, ginge es mittlerweile nur noch um letzteres. Neue Umweltmaßnahmen würden oft als geschäftsbremsende, “grüne” Schnapsidee gesehen – denn die Landwirte von heute sähen sich ja nicht mehr als bloße “Bauern und Bäuerinnen”, sondern als stolze Unternehmer*innen und Fachkräfte, die auf harten Märkten konkurrenzfähig bleiben müssen.

Maßgeblich an dieser Misere beteiligt sei auch auch der Deutsche Bauernverband, der unter den Landwirten oft Stimmung gegen Reformen mache und sich für ein “Weiter so!” einsetze. Der Verband sei stark mit der Agrarlobby-und Industrie verflochten, was dazu führt, dass oft in deren Interesse – sowie unter dem Deckmantel der Interessen der Landwirte – immer die gleiche Politik betrieben wird. Und immer wieder werden genau die Großbauern zu Funktionären gewählt, die am meisten (oder als einzige) davon profitieren. So stand an der Spitze des Deutsche Bauernverbands jahrzehntelang der “Bauernbaron”, Freiherr Heereman von Zuydtwyck. Heutiger Präsident, Joachim Rukwied, wurde vom Naturschutzbund NABU 2017 mit dem “Dinosaurier des Jahres” ausgezeichnet, da er die Verantwortung der Landwirtschaft für das Artensterben abstreite. Rukwied freute sich über die Auszeichnung, da “sie von vielen Berufskollegen und Mitgliedern als Auszeichnung verstanden” würde. Dies sagt einiges über den traurigen Grabenkampf aus, der auf Kosten heutiger und zukünftiger Generationen geführt wird.

Es geht auch anders

Es gibt zwar eine Menge, das momentan schief geht – aber es gibt auch neue und wichtige Ansätze, wie wir Alternativen kreieren können. So zum Beispiel führte die Regionalwert AG zusammen mit dem Agronauten e.V. zwischen 2018 und 2019 das Projekt „Richtig Rechnen in der Landwirtschaft“ durch. Ziel war es, ähnlich wie beim True Cost-Prinzip, Mehrkosten und Leistungen zu erfassen, die beim Einsatz nachhaltiger Methoden in der Landwirtschaft entstehen; zum Beispiel der Verzicht auf chemisch-synthetische Dünge-und Pflanzenmittel, und die regionale Herkunft von Betriebsmitteln. Durch eine anschließende monetäre Bewertung von Indikatoren sollten diese Nachhaltigkeitsleistungen dann über einen Fonds finanziert werden.

Die Gemeinwohl-Ökonomie orientiert sich am eigentlichen Zweck des Wirtschaftens, und zwar der Erfüllung menschlicher Bedürfnisse. Zentral stehen hier gute Beziehungen zwischen Unternehmen und Lieferant*innen, Mitarbeiter*innen und anderen Beteiligten, sowie zu Werten wie Menschenwürde, Solidarität, ökologischer Nachhaltigkeit, sozialer Gerechtigkeit und demokratische Mitbestimmung. Dem Prinzip nach sollten Unternehmen, die besonders viel für das Gemeinwohl leisten, durch niedrigere Steuern und andere Mechanismen einen Marktvorteil erhalten. Hierdurch sollen kooperative Unternehmen, die sich für regionales und nachhaltiges Wirtschaften engagieren, in den Vordergrund gerückt werden.

Auch interessant sind Genossenschaften wie Kulturland oder BioBoden, die Land kollektiv aufkaufen, um es wieder regional eingebundenen Bio-Bauernhöfen zur Verfügung zu stellen.

Vor allem benötigen Alternativen zu unserem maroden Nahrungsmittelsystem viel Tatkraft und Willen, um Realität zu werden. Was zählt, ist, dass wir damit anfangen, Veränderungen aktiv zu leben und zu fördern. Mit dem WirMarkt wollen wir genau dies bewirken, und gleichzeitig eine Plattform für andere Initiativen bieten, denn am allerwichtigsten für eine bessere Zukunft ist die Zusammenarbeit. Wir freuen uns auf die spannenden Entwicklungen, an denen wir in den kommenden Jahren natürlich mitwirken werden. Du auch? Dann mach mit!

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Wie viel Zukunft steckt in meiner Tasse Kaffee?

Kaffee. Kaum ein Tag vergeht, an dem wir nicht an dem schwarzen Gold nippen. Und mal ehrlich, wer kann sich seinen Morgen noch ohne vorstellen? Im Durchschnitt trinkt jede*r Deutsche jeden Tag sogar drei Tassen davon, was sich auf sagenhafte 150 Liter Kaffee pro Jahr beläuft und damit noch vor unseren anderen Nationalgetränken – Bier und Mineralwasser – liegt. Und einer Umfrage zufolge verbinden Menschen in Europa Kaffee mit positiven Gefühlen wie Freude, Wärme, und Energie. Aber wer von uns weiss eigentlich, wo genau der tägliche Kaffee herkommt – und vor allem, ob dafür ein wirklich gerechter Preis gezahlt wurde?

Kaffee um jeden Preis?

Um es auf den Punkt zu bringen: für einen großen Anteil Kaffee wird immer noch viel zu wenig bezahlt. 2018 kostete ein Kilo Kaffee im deutschen Lebensmitteleinzelhandel ca. 8,10€. Bei Aldi gibt es das Kilo sogar schon ab 5.98€. Bei diesen Preisen bleibt nicht viel übrig für die Produzent*innen in den Ursprungsländern – und besonders klimafreundlich kann bei den Preisen auch nicht produziert werden. Das wären übrigens ca. 7-8 Cent für eine Tasse Selbstgebrühten, wie wir ihn Zuhause oder bei der Arbeit trinken. Auf dem Weltmarkt sind Kaffeebauern starken Preisschwankungen und Spekulation ausgesetzt, und kriegen oft nur ein Restgeld für ihr Produkt.

Auch bei zertifizierten Kaffees, die in den letzten Jahren stark gewachsen sind, ist nicht zwangsläufig drin was draufsteht. Diese Kaffees werden von einer oder mehreren Organisationen (Fair Trade, Rainforest Alliance, EU-BIO etc.) mit einem Siegel versehen, das bezeugt, dass sich die Produzenten an gewisse Vorgaben bei der Produktion gehalten haben, und dementsprechend mehr für ihren Kaffee bekommen. Es bestehen hier zwar gewisse Mindeststandards, was Umwelt und Menschen betrifft, die eingehalten werden sollen. Jedoch sind diese meistens nicht ausreichend, und landet der Aufpreis oft nicht in den Händen der Produzenten.

Hier sind lange und intransparente Lieferketten eines der Hauptprobleme. Oft weiß man nicht genau, wo der Kaffee herkommt, welcher Produktionseinsatz vor Ort stattfindet, und wie die verschiedenen Organisationen, von der Kleinbauern-Kooperative bis zum Einzelhandel, das Geld unter sich verteilen. Ein weiteres Problem ist dass die Bauern meistens nicht ihren ganzen teuer angebauten Kaffee auch als solchen verkaufen können, sondern ihn quasi verscherbeln müssen. Auch hier müssen Farmer*innen und Arbeiter*innen immer noch schauen, dass genug für Leben, Bildung und Investitionen übrigbleibt. Und nur weil bestimmte Umweltstandards erforderlich sind, heißt das noch lange nicht, dass jeder “grüne” Kaffee gleich Klimaretter ist.

Der wahre Preis deiner Tasse

Was kostet eigentlich eine Tasse Kaffee? Diese Frage stellten wir uns.

Um zu wissen, wie viel Kaffee wirklich kostet, hat die NGO Solidaridad eine Studie mit der “True Price” Methodologie erstellt. Diese misst anhand verschiedener Kriterien, wie viele externe Kosten durch die Produktion und den Handel des Kaffees entstehen. Externe Kosten sind Kosten, die jetzt oder in Zukunft durch die Herstellung eines Gutes entstehen und die sich nicht im Marktpreis widerspiegeln, zum Beispiel durch Wasserverschmutzung oder unfaire Löhne. Im Klartext heisst das: Schäden, die andere Menschen und die Natur schultern müssen, damit der Preis einer Tasse Kaffee für Grosshändler und Verbraucher “stimmt.”

In der Kolumbianischen Kaffee-Anbauregion Cauca wurde konventionell produzierter Kaffee (Benchmark) mit Climate-Smart Kaffee (CSA) verglichen. In der konventionellen Kaffeeproduktion wird auf maximale Erträge durch grossflächigen Anbau, Einsatz von chemischem Dünger und Pestiziden, und Ausbeutung von Arbeitern gesetzt. Climate-Smart Agriculture hingegen ziehlt darauf ab, die Produktion nachhaltiger zu gestalten, z.B. durch organische Pflanzenschutzmittel, Anbau von schützenden Bäumen und die Auswahl von widerstandsfähigeren Kaffeesorten. Ähnliche, jedoch nicht identische Anbaumethoden finden wir auch bei anderen Standards.

Bei der Studie kam heraus, dass der CSA-Kaffee um 20% weniger soziale und ökologische externe Kosten verursachte. Die externen Kosten lagen bei $3.15/kg für Benchmark und $2.50/kg für CSA Kaffee. Wenn man diese mitrechnet, müsste der Einkaufspreis bei $5.40/kg für Benchmark und $4.95/kg für CSA liegen.

Hier werden zwei Dinge deutlich: Erstens, dass unzertifizierter Kaffee eigentlich viel teurer ist, als er beim Kunden ankommt. Was umgekehrt ja heißt, dass eine gesunde Umwelt und faire Lebensbedingungen billig verscherbelt werden. Das ist besonders bitter, wenn man weiß, dass diese Art des Kaffeeanbaus durch Klimawandel und Umweltzerstörung dazu beiträgt, dass sich in Zukunft immer weniger Gebiete für den Anbau eignen werden. Dies wird zur Folge haben, dass Kaffee über kurz oder lang teurer wird, sofern diese Kosten dann nicht noch extremer abgeladen werden.

Zweitens wird klar, dass der CSA-Kaffee in diesem Beispiel zwar ein Schritt in die richtige Richtung ist, aber dennoch weiterhin externe Kosten verursacht. Doch, was tun?

„The True Price of Climate Smart Coffee“. Solidaridad, 2019.

Den Kaffee kompensieren – wie viel soll das kosten?

Jedoch gibt es mittlerweile Röstereien, die die negativen Auswirkungen ihres Kaffees nicht nur verringern, sonder verschwinden lassen wollen. So zum Beispiel Truesday, die erste Deutsche Rösterei, die den True Price für ihren Kaffee aus Cauca miteinbezieht. Auf den Rohkaffeepreis wird hier nochmal 4,86€ als Kompensation draufgezahlt, wodurch ein Gesamtpreis von 8,99€ zurück in die Region fließt. Umgerechnet bedeutet das, dass die 7 Cent für die Tasse Durchschnittskaffee noch nicht einmal die Kosten im Ursprungsland decken. Bei Truesday kommt man auf 26 Cent pro Tasse, und die weiteren Kosten, die hiereingehen, werden auch transparent auf der Website dargestellt.

Drei Bilder mit Text. Eine Waage, Bäume und eine Hand, die eine Münze nimmt. Darstellung der ökologischen und sozialen Kosten pro Kilo "Cauca Excelso"
https://truesday.coffee

Ähnliche Ziele verfolgt auch TEIKEI Coffee, die mit viel Liebe und Aufwand ihren Kaffee per Segelschiff transportieren, um dadurch den ökologischen Fußabdruck ihres Kaffees stark zu verringern. So überquerten letztes Jahr 30 Tonnen grüner Kaffee auf diese Weise den Atlantik. Vorort stellt TEIKEI seinen Bauern und Bäuerinnen in Mexiko die zentrale Frage: „Was braucht ihr, damit ihr und auch eure Kinder weiterhin Interesse am Kaffeeanbau haben?“. Die Antwort auf diese Frage spiegelt sich auch bei TEIKEI in einem Tassenpreis von 26 Cent wieder.

Natürlich sind dies nur Beispiele, wie Ansätze eines fairen Kaffeehandels aussehen müssten. Wir wünschen uns natürlich, dass dies das neue Normal wird, auch bei vielen anderen Produkten, damit wir die planetaren Grenzen einhalten können. Solange aber fast ausschließlich riesige Konzerne am längeren Hebel der Handelskette sitzen, die auf Spekulation und Preisdrückung durch unfairen Wettbewerb setzen, ist es aber noch ein langer Weg dorthin. Wir beim WirMarkt möchten uns dafür einsetzen, das es eine weitere Möglichkeit gibt, den Wandel zu fördern. Dies wollen wir durch einen transparenten und demokratischen Supermarkt erreichen, bei dem ihr als Mitglieder mitbestimmt, was in die Tüte kommt – und was gar nicht. Also macht mit und schließt euch uns an, wir freuen uns auf euch!

Quellenangaben